Gerade für mich entdeckt: in Eile sein. Die eilende Wahrnehmung, das eilende sich-Fortbewegen. Das daraus sich ergebende, sehr schöne Wirrwarr (wahlweise auch: Mischmasch) an Eindrücken, Stimmen, Gerüchen, Geräuschen und überhaupt: an Reizen.
Der Raum im und um das Multiplex, bevölkert von Heerschaaren Jugendlicher, denengegenüber ich mir nachgerade alt vorkomme. Ihr seltsam-irrer Blick, ihre Angriffslustigkeit, ihre zur Schau getragene Jugendlicheit (und meine Wertschätzung eben dieses zur-Schau-tragens), ihre Konsumfreudigkeit. Überhaupt: die Konsumfreudigkeit Münchens. Abends gegen elf bildet sich eine Schlange von gut drei Metern vor einem kleinen, Milcheiskugeln anbietenden Wägelchen. Die (inzwischen gängige) Praxis der Müllentsorgung direkt um den (und auf dem) Kinosessel. Im Kino zum ersten Mal (seit Jahren) bewusst Menschen knutschen gesehen. Nach dem Kino betätschelt sich das (circa sechzehnjährige) Pärchen neben mir zärtlich und knutscht dann, erst im Sitzen, dann im Stehen und schließlich noch im Gehen.
Der ätherisch-gequetschte Singsang Münchener U-Bahn-Chauffeure. % Der langfädige Regen Münchens. % Die zärtlich-groben Hände des Brille tragenden Intellektuellen im Regionalexpress von Dollbergen nach Hannover. % In Reichelsdorf (Bayern) passiert der Schnellzug ein gänzlich in eine Deutschlandfahne gehülltes Haus (Suchergebnis nach Eingabe der Kombination Reichelsdorf Flagge Deutschland: »reichelsdorf-muehlhof.de s*x mit alten frauen Gemeisames Sorgerecht Rihanna oben ohne ... ]Melden Sie sich kostenlos an um USA Flagge Artikel zu kaufen«). % Die mich beständig umtreibende Idee des kollektiven Gedächtnisses. % E: »(...) ist nicht nur eine Beate, sondern könnte auch gut eine, äh, Frauke sein«
Madonna als Prototyp des leeren Signifikanten. µ Die mit einem Davidstern bemalten Waschbrettbäuche der Tänzer. µ Madonna, in einer ufohaften Diskokugel auf die Bühne schwebend. µ Viel politischer als das Kreuz waren die kleinen, jedoch beständigen Randsignale der Show (wie zum Beispiel das tierische Auftreten der Tänzer, die in einen grünen Umhang gehüllte Tänzerin in einem Käfig usf.). µ Confessions als Show der intertextuellen Bezüge (I Love New York ist definitiv Allens Manhattan, Skyscrapersilhouetten, die Tänzer und Musiker ganz in weiß, sie ganz in schwarz, mit einer fetten E-Gitarre bewaffnet; die Projektionen in Let It Will Be als warholhaft identifizieren). µ Handycamdigifotooverkill! µ Die Konzertbühne als Tempel/Kirche. Madonna Ciccone als Priesterin.
Auch interessant, wie einheitlich langweilig (und von daher auch: uninspiriert) die deutsche Filmkritik so ist: bei Superman Returns wird über den konservativen Helden gesprochen, bei Volver über starke Frauen und bei Miami Vice über die Vision eines Autoren.
Leopard klingt, vor allem wegen Spaces und Time Machine, interessant. Dass man sich die neuen Systeme bei Apple nicht als vollwertige Produkte, sondern als Erweiterungen, Updates früherer Versionen des Systems (was sie, streng genommen, natürlich nicht sind) vorzustellen hat, wohingegen Microsoft damit wirbt, alle jubeljahre ein neues, für sich stehendes (und damit angeblich starkes, weil autarkes) System zu veröffentlichen.
Und jedes Moh-leh-kühl böh-wehgt sich!
Der Odeonsplatz als (morgendliches) Drehkreuz der Welt.
Getränk: Paulaner Spezi.
Wohlersallee.
Wahnsinn: Comic Books Archive.
Robert Walser: Der Spaziergang, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 1978
Bernd Scheffer schreibt, dass Walser »in seinem ganzen Werk um einen Zustand kämpft, in dem das Reden, vom Schreiben ganz zu schweigen, nicht mehr nötig wäre«. Der Suhrkamp Verlag rühmt Walsers Der Spaziergang im Klappentext als »einen der schönsten Prosatexte dieses Jahrhunderts«. Dem möchte ich (als Leser) wohl zustimmen, wenn auch ich mich dem Text beim Lesen nicht in dem Maße anverwandeln konnte, wie es vielleicht nötig gewesen wäre, um ihn so zu schätzen, wie er es verdient hätte. Als Transitlektüre taugt Walsers 1917 erstmals erschienene Erzählung vom Unterwegssein also nur bedingt, habe ich mich doch während des Lesens an einen anderen, ländlicheren, unbeschleunigten Ort gewünscht.
Walser erzählt natürlich vom Schreiben, wenn die Erzählung an dem Punkt einsetzt, wo der nunmehrige Spaziergänger sein »Schreib- und Geisterzimmer« flieht, um im Treppenhaus sogleich einem Objekt, nicht der intellektuellen, sondern der körperlichen Lust zu begegnen. Später wird er durch den ihm scheinbar überaus vertrauten Ort flanieren, einen Schneider aufsuchen, sich mit diesem zoffen, einem Steuerbeamten sein Dasein als Künstler näherbringen, bei einer Frau zu Mittag essen, die ihn auf schockierende Art an der Nase herumführt, um sich, im späteren Verlauf der Geschichte, im Imaginären, oder vielleicht eher noch Außergesellschaftlichen, zu verlieren.
Ich verstand nicht, was er wollte, die Zitate sprachen doch für sich. Sollte ich das treffend gesagte noch einmal mit eigenen Worten viel stümperhafter ausdrücken? Was war das für ein demütigender Ansatz?Auch hier gelingt es mir kaum, überhaupt nur einen Gedanken zu einem Buch zu fassen, dass dem Sonnenuntergang im Prater vielleicht ähnlich sieht, diesen jedoch in seiner Schwere noch zu übertreffen vermag.
[Noch zu hören wäre die 2000 bei HörbucHHamburg veröffentlichte, von Fritz Lichtenhahn angeblich »kongenial intonierte« Version des Textes. Dies ist Teil drei (#1, #2) des von mir und lmd78 gespielten Bücherpingpongs.]
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