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Girogio Bassani: Die Gärten der Finzi-Contini, Piper Verlag, München 1963

  1. Bassani erzählt die Geschichte einer jungen Liebe im Italien der Vorkriegszeit. Der Erzähler verliebt sich in ein weltgewandtes, kluges Mädchen Namens Micòl aus dem Hause der Finzi-Contini. Die Finzi-Contini leben, großbürgerlich zurückgezogen, in einer Villa mit Tennisplatz, einem alten Hund und einem Chauffeur mit einer Vorliebe für den hauseigenen Fahrstuhl und einer alten, schwarz lackierten Pferdekutsche, einer Bibliothek, einem Billardzimmer und Vielem mehr. Die Gärten der Finzi-Contini ist, nach meinem Dafürhalten, kein Liebes-, vielmehr ein Familien- und Freundschaftsroman.

  2. Die Gärten der Finzi-Contini. Wofür steht der Plural im Titel? Beschreibt er die Größe der Gärten oder deutet er mögliche, individuelle Lesarten des einen Gartens an? Ich für meinen Teil habe schlicht mehr als einen Garten, eine Kolonie vielleicht, erwartet, allesamt unterschiedlicher Natur, mit verschiedenartiger Vegetation. So steigt der Erzähler jedoch durch den Garten ein ins Haus der Finzi-Contini. Er verschafft sich den indirekten Zugang über eine Mauer, obschon ihn Micòl, die damals auch noch ein Kind war, dazu auffordert. Diese das Anwesen umgebende Mauer kann ich mir gut vorstellen: an der Stelle des Übergangs gibt es einige Tritte und einen großen, rostigen Nagel, unter dessen Zuhilfenahme der Aufstieg eigentlich, so Micòl, ein Leichtes sein sollte. Außerdem findet sich im Garten der Familie eine alte, in der Vergangenheit zu Schulübungszwecken genutzte, Turnhalle, eine kleine Laube mit einem Duschraum für die Tennisspieler, ein alter, vormoderner Tennisplatz, eine riesige, etwa einen halben Kilometer messende Auffahrt sowie ein für den Anbau von Obst separierter Teil.

  3. In anderen Eintragungen sprach ich, wenn ich das Buch meinte, immer von »dem Finzi-Contini-Roman«. Zum Beispiel dann, als ich den Traum des Erzählers lobte, der von den làttimi, den kleinen Glasfläschen, die Micòl sammelt, handelt, welche in seinem Traum jedoch nicht aus Glas, sondern aus Käse gemacht sind. Als er zuerst von ihnen hörte, fragte der Erzähler die Sammlerin, ob dies etwas zu essen sei, was in seinem Traum vielleicht die Assoziation mit Milchproduktion hervorgerufen hat, weil sich das Wort von latte, also von Milch, ableitet.

  4. Ein großartiger Roman. Der Klappentext, der den Erzähler als jemanden, der »plötzlich« zum Paria wurde, beschreibt, ist hier nur irreführend, denn gerade in der konsequenten Auslassung, oder besser: am-Rande-Thematisierung, der fortschreitenden Ausgrenzung und Verfolgung der jüdischen Gemeinde, wird diese erst präsent.

  5. Tolles Spiel. Hat sich schon jetzt wirklich gelohnt. Ob mein nächstes Buch, das lediglich 96 (Reclam-)Seiten umfassende Sonnenuntergang im Prater von Peter Altenberg, als direkte Antwort auf Girogio Bassani verstanden werden kann, weiß ich nicht. Gemein haben sie, wie ich gerade erfahren habe, ihre jeweiligen, in den Siebzigern entstandenen, Verfilmungen, von denen mir jedoch weder die eine noch die andere bekannt ist.

  6. Skiwasser: Deutsch im Originaltext.


Ihr kommentar    


am 13.06.06, 12:07  kommentierte lmd78

super text, erfasst vieles von dem, was ich an bassani und vor allem den "gärten" so liebe.

deine überlegungen/irritationen den titel betreffend sind übrigens einem übersetzungsfehler oder einer -freiheit geschuldet, im original heisst das buch "Il giardino dei Finzi Contini", also nur ein Garten.

Lustigerweise habe ich letzte Woche die Verfilmung des Buches von de Sica auf DVD gesehen. Kein schlechter Film, auch wenn die 70er Jahre Ästhetik irritiert, alles ist mit Weichzeichner und gegen milde Abendsonne gefilmt, Micòls Haare leuchten immer in der Sonne, fast mutet es Emmanuelle-Soft-Porno-artig an. Aber wenn man das vergessen hat, ist der Film sehr berührend, auch drastischer als das Buch. Helmut Berger spielt übrigens Alberto, Micòls Bruder, sehr blass und leidend und ätherisch. Durchaus empfhelenswert, fand ich.


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Vielen Dank für die den Titel betreffende Info! Dieses Rätsel hätte ich sonst unnötigerweise vielleicht noch, mittels ähnlich forcierter Gedanken, irgendwie zu lösen versucht.

Dass die Verfilmung von de Sica stammt, hat mich in der Tat auch neugierig gemacht, jedoch schreckte mich das weichgezeichnete Cover der englischen DVD und der darauf abgebildeten Frauenfigur, die - wie konnte sie auch? - nicht meiner Vorstellung von Micòl entspricht, ab. Und was du über den Film geschrieben hast, macht mich, trotz der Empfehlung, noch skeptischer.

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