Herrscht tiefer Frieden in meiner Wohnung, wenn ich nicht da bin?
Und wie gestern Samstag Nacht mitten auf der Tanzfläche jemand ein iPhone hoch hielt, und in dieser oldschooligen Punktlaufschrift in weiß auf schwarzem Hintergrund von rechts nach links langsam I LOVE YOU über das Display lief und dass ich mich in betrunkenem Zustand geradezu beschossen fühlte von den Lichtern und Strahlern und darauf schnell ein Bier trinken gehen musste und dass mich dieses unbekannte Mädchen neben mir zum Dank auf den Mund küsste, als ich für sie in ihrem Namen auch etwas bestellte, damit sie nicht warten musste und dass sich hier in diesem Club alles sehr verändert hat in den vergangenen Monaten.
Nachtrag Person von gestern: als ich den Mann aus dem Seminar angeglotzt habe, musste ich ohne erkennbaren Zusammenhang an einen Text von Barthes denken, den ich zu Beginn meines Studiums gelesen habe, Die Lust am Text. Barthes beschreibt dort unter anderem, dass der Text einen Reiz verströmt dadurch, dass gewisse Dinge verhüllt bleiben, andere wiederum gezeigt werden, und dass dadurch die Imagination angeregt werde, und dass so auch die Erotik funktionieren würde. Fand ich damals wahnsinnig bescheuert, Erotik, Lust. Mir gefallen auch nach wie vor ganz explizite Texte viel besser, mit viel Fleisch und total versaut, also eher Bataille als Pilcher, oder so. Gestern ist mir dann jedoch ein bisschen klarer geworden, was Barthes mit dieser Lust gemeint haben könnte, als der Mann sein Bein anwinkelte und ein Stück Haut durch das hochrutschen der Hose entblößte.
Person: der Typ am Hauptbahnhof heute morgen um elf, als ich viel zu früh am Bahnsteig ankomme, da ich mich in der Abfahrtszeit meiner Bahn vertan habe. Er steht dort und ich erkenne ihn sofort wieder, vom letzten Jahr, als er auch immer an meiner Haltestelle ausgestiegen ist. Er ging immer ziemlich langsam vor sich hin, trotte mehr, sah nur auf den Boden, trägt eine wirklich extrem schöne Brille und eher etwas zu kurze Hosen, die ihm jedoch sehr gut stehen. Ich muss mich neben ihn stellen und ihn beobachten, wie er dort auf den Boden vor sich starrt, sich kaum bewegt und nur manchmal die Augen ganz zumacht. Als die Bahn kommt, setze ich mich so hin, dass ich ihn gut sehen kann, tue jedoch während der Fahrt so, als würde ich lesen. Ich gehe ihm auf dem Campus ein Stück nach, bis in das Gebäude, in das ich eigentlich sowieso müsste, drehe mich auf der Treppe noch einmal nach ihm, der er jetzt eine neue Frisur hat (sehr lange, lockige Wuschelhaare, statt kurze, eher korrekt geschnittene Frisur), um und gehe dann nach oben. Einige Stunden später, um kurz vor sechs, sehe ich ihn gerade die Treppen in Richtung Erdgeschoss heruntergehen, als ich auch auf dem Weg nach unten bin. Als ich mir im Badezimmer im ersten Stock die Hände wasche, steht er auf einmal wieder neben mir, geht gerade, ich gucke ihn etwas verdutzt und einen Tick zu lange an, als er mich fragt: »Hey, ich habe dich doch heute morgen schon gesehen, oder?« Während er also in der halb geöffneten Klotür steht, kommen wir ins Gespräch, ich erzähle ihm, dass er heute morgen ganz schön grantig aussah, er sagt mir, dass er meditiert hätte, wir gehen zusammen in Richtung Bahn, er gibt mir zum Abschied die Hand und fragt mich nach meinem Namen, nachdem er mir seinen verraten hat.
»Ich möchte an irgendwas denken, aber es gelingt mir nicht.«
»Man sieht sich gegenseitig in die Augen, und was hat es für einen Sinn?«
»Währenddessen mehrten sich die Unverschämtheiten des Sohnes gegenüber seiner Mutter. Er machte sich jetzt nicht einmal mehr die Mühe, seine Handlungen vor ihr zu verbergen. Nicht nur, daß er seine Mutter mit dem gefährlichen Gesindel umgeben, welches seinen Lüsten zu Dienste war - er trieb seine Niedertracht sogar so weit, ihr in meiner Gegenwart zu erklären, daß, sollte sie sich unterstehen, seinen Neigungen weiterhin entgegenzuwirken, er sie von deren Reizen überzeugen würde, indem er sich ihnen vor ihren Augen hingäbe. Ich jammerte angesichts dieses Ansinnens und dieses Betragens, in meinem tiefsten Innern trachtete ich all dem Gründe abzugewinnen, um jene elende Leidenschaft zu ersticken, die meine Seele verzehrte ... aber ist denn die Liebe eine Krankheit, die man heilen kann? Alles, was ihr ihr entgegenzuhalten suchte, schürte das Feuer nur um so heftiger. Nie erschien mir der perfide Bressac liebenswerter als gerade in jenen Augenblicken, in denen ich mir all das vorhielt, was mich eigentlich hätte bewegen sollen, ihn zu hassen.«
Person: der Mann mit den kurzen Haaren und den großen Geheimratsecken im Seminar heute. Eine Frau aus München ist als Gastsprecherin geladen, die Stühle sind deswegen anders angeordnet, es ist 15 Minuten vor Beginn der Veranstaltung schon sehr voll. Ich sichere meiner Freundin N. und mir einen Platz und lese, grüße vorher beim Hereinkommen das Mädchen mit den schwarzen Haaren, dessen Namen ich vergessen habe. Neben ihr sitzt der Mann. Irgendwann fällt mir auf, dass ich ihn anstarre, so halb aus dem Augenwinkel heraus. Zuerst bemerke ich, dass er ordentlicher gekleidet ist als die anderen in diesem Raum. Ausserdem unterhält er sich konspirativ mit dem Mädchen mit den schwarzen Haaren, was mich dazu verleitet, sie für seine Freundin zu halten. Er hat schöne Hände, irgendwie sehen sie ein bisschen schmutzig aus und passen nicht zum sonst so adretten Äusseren des Mannes. Irgendwann winkelt er sein rechtes Bein an, stützt es mit seiner Hand und schiebt dabei seine Jeans ein Stück weit nach oben. Enthüllt wird ein bisschen Haut, die merklich weisser, heller ist als die zum Beispiel seines Gesichtes. Er trägt ausserdem ein Paar grau-oranger Socken, die farblich perfekt abgestimmt sind auf sein oranges Hemd. Nach dem Vortrag stellt er eine Frage, diskutiert diese auch ein bisschen mit der Sprecherin und gibt sich als guter Englischsprecher zu erkennen. Ein paar Minuten später spreche ich N. auf den Mann an, und sie so zu mir: »das ist doch E. S., von dem ich dir schon total viel erzählt habe! Und den findest du auch toll? Das wundert mich ja!« Sie stand jedenfalls auch ein bisschen auf ihn, findet aber die Vorstellung, dass ich ihn heirate, und wir dann später so die ganze Zeit Pärchendates mit ihr und ihrem derzeitigen Freund haben, viel besser. Ich auch!
»Bei Dior kauft man keine Kleider, da telefoniert man nur.«
Angeleint im Horror-Verlies
»Während er über die große Zahl von Personen, die um den Teetisch saßen, liebenswürdig höfliche, maliziöse und von der untergehenden Sonne geblendete Blicke gleiten ließ, aus seinen kleinen runden Pupillen, die so exakt im Auge saßen wie das 'Schwarze', das er als ausgezeichneter Schütze unfehlbar visierte und traf, schob sich der Herzog mit vorsichtig stutzender Langsamkeit voran, ganz als ob er, von einer so glänzenden Versammlung eingeschüchtert, fürchtete, auf Schleppen zu treten oder Gespräche zu stören.«
»Und es ist mir nicht wie dem weisen Antenor, dem Sohn des Flusses Alpheios, gegeben, in die väterliche Woge zu tauchen, meine Hitze zu stillen, bevor ich mich in die schön geglättete Wanne setze und mit duftendem Öle salbe.«
November 2024 | ||||||
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