Gestern Nachmittag durch die volle Stadt gelaufen, mich fremd gefühlt. Kaum Geld dabei, auch die Shopping-Ambition scheinbar zu Hause vergessen gehabt. Mich umgedreht, einer spontanen Eingebung folgend die paar Schritte zum Obsthändler zurück, die erste Nektarine (»[...] ihr Nährwert liegt 60% über dem des Pfirsichs!«) des Jahres gekauft. Unglaublich, wie warm und freundlich es ganz schlagartig in mir wurde, wie mich die Zufriedenheit umspülte, für einige Minuten.
Endlich (!) angefangen, mir die zweite Twin-Peaks-Staffel zu geben. Von einem freundlichen Herren alle Folgen in guter Bild- und Tonqualität zugeschanzt bekommen, nachdem S. sie mir am gleichen Tage auf postalischem Wege hat zukommen lassen. Wieder in diese urkomische Lynch-Welt gesunken, nach den ersten Minuten. Das diabolische Lachen des Bösen, repräsentiert durch den vermeindlichen Mörder Laurer Palmers, das steht für mich stellvertretend für das distortive Lachen Lynchs. Wie gut er sich darauf versteht, gesellschaftlich konstruierte Realitäten zu erschüttern, mit wenigen, ganz subtilen Stilmitteln, das fand ich immer unfassbar. Der große Fiesling und Besitzer des Great Northern, beispielsweise, wie er vor dem Kaminfeuer Trimmrad fährt. Oder wie er sehr lautstark ins Kaminfeuer spuckt.
F. (welcher im übrigen auch ein unglaublicher Sprach-Artist zu sein pflegt) erzählt, dass ein Kinobesuch heute nicht zu seinem Konzept des Leidens passen würde, welchem er seit wenigen Stunden anhängt. Er vergisst das Brot und die Gurken und die Tofu-Terrine auf dem Tisch, isst sehr viel Eis, zeigt mir ein altes Passfoto und wir lachen über die Frau in der Wohnung über uns. Er sagt, dass Bremen nicht schön ist, weil es dort Kopfsteinpflasterstraßen gäbe und Menschen, die sich dafür einsetzen, diese zu erhalten. Er entlüftet den Sitzball, weil er zu viel Platz verbraucht und schläft auch bei tropischen Temperaturen bisweilen bis in die späten Morgenstunden hinein. Und er sieht mit mir Futurama und Die Simpsons und Six Feet Under und Twin Peaks und ich konnte ihn gar dazu bewegen, sich die ersten drei Stunden Angels of America anzusehen. Gut, nicht?
Den Computer an den USB-Drucker angeschlossen. Sofort dagewesen, ohne dass ich hätte noch etwas installieren müssen, auch mit einem für dieses eine Modell individuell angepassten Symbol. Finde das nach wie vor erstaunlich, wie viel Computer inzwischen können. Wie unkompliziert die auch geworden zu sein scheinen. Doch wenn man bedenkt, wie steinzeitlich das doch eigentlich ist, die Texte noch selbst und per Hand einzugeben, statt sie sich vom Computer direkt aus dem eigenen Hirn auf den Bildschirm ziehen zu lassen.
Während ich die Straße überquere kurz gedacht: Altherrensport Flugkörperkunde. Die vorbeiziehenden Vögel am Himmel zu beobachten, sich auszumalen, wer da alles so drinhocken mag, was die jetzt gerade essen trinken denken sagen, wohin die Reise geht, wie sich die Luft dort oben anfühlt. Oder Wolkenformationen. Würde gern auch Zeit damit verbringen, den Himmel in anderen Ländern gelangweilt zu betrachten, während ich trinke esse denke rede. In Mexiko, beispielsweise. In der flirrigen Hitze Götz lesen, rauchen, den Schweiß laufen lassen, kaum noch denken könnend vor lauter Staub und Schweiß im Bregen.
Man muss sich das erkämpfen, das Schreiben. Ohne Schreiben kommt es nicht. Nicht bei mir. Wobei diese Vorstellung, dass da etwas alienhaft nach Außen drängt, nach Verkörperung schreit, die ist ja auch eine sehr reizvolle. Wie der Text dann später, wie Murakami das beschreibt, ein Eigenleben entwickelt, sich von selbst schreibt, wenn man erst losgelassen hat, vom zu nichts führendem Denken abgelassen hat, sich der Vorstellung, es wäre ein Tag im Hochsommer in einer nordrhein-westfälischen Großstadt, befreit hat.
Die langen Haare des hageren, tätowierten Mannes. * Die Festivalbänder des Langweilers mit den gelockten Haaren. * Die nichts sagenden Farben der T-Shirts der anderen. * Die schlecht lackierten Fußnägel der Frau. * Der kleine Junge mit dem Pflaster über dem Auge. * Die Meute vor der schmutzigen Kneipe, gestern Nacht, sich Betrunkenengeschichten erzählend. * Die Müllmänner mit ihren gelben Rennwagen, gestern Nacht. * S., mich von hinten leicht anstupsend, einfache Sympathie bekundend. * Die grinsende, mir etwas hinterherrufende, mir mit dem Fuß die Tür aufhaltende junge Frau, die ich dann lange, ihr den sonnenbebrillten Kopf zuwendend, angrinse. * Der sonnige Tag.
Die Studenten mit ihrem Studenten-Klimbim. Alles voller kleiner Karteikärtelchen und Notizzettelchen, dauerhaft in ihren Taschen herumkramend. Wie mich das stört, massiv, bisweilen.
Ah!: das futuristisch kühle des Peace Orchestra.
Juli 2005 | ||||||
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