(i think) he was a journalist

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101 Fotos in zwei Tagen. All’ diese blauen Tücher um den Hals den Fuß den Kopf die Hand das Bein den Bauch. Eine schwangere Frau mit ultrakurzem, engem Shirt in der U-Bahn. Die bauchfreie Stelle ebenfalls mit einem Tuch umwickelt, einem schwarzen. Und der Freund und vielleicht auch werdende Vater trug die gleiche Sonnenbrille wie sie. Und die ganzen Massen, die Scheiße bei McDonalds und Apostels essen, wenn es 30 Grad warm ist. Würde mir ja auch nie einfallen, das Zeug zu essen, wenn ich schwitze, weil: das Essen schwitzt ja selbst irgendwie schon. Und wie Hannover zu ächzen scheint, unter der Last dieser Menschen. Der Last der Wochenendausflügler, der Pendler, der Flaneure, der Shopper, der Anwohner, der Besucher, der was weiß ich nicht noch alles. Und in der Stadt kumuliert das dann auch alles so schön: die Cafés sind zum bersten voll mit Menschen, die ich mir stundenlang ansehen mag. Die drei Mädels neben mir labern. Eine trägt einen sehr kurzen Rock und hat so eine schicke, relativ neue Kamera mit großem Display und sechs Megapixel dabei. Keine Ahnung, was genau sie damit will. Fängt dann an, vor lauter Langeweile den Bahnhofsvorplatz zu filmen und kommt wahrscheinlich nicht auf die Idee, dass sie das auch, dank des eingebauten Mikrofons, kommentieren könnte. Und zwischendrin wird dann noch umgebaut. Ein Mann auf einem Baugerüst reinigt mit einem Hochdruckwasserspritzer die Fassade des umzubauenden Bennetton-Flagship-Store. Und bei Bennetton muss ich an Michael Schuhmacher denken, wie der vor Jahren mal für Bennetton gefahren ist, in diesem größtenteils blauen Renner, der mich eigentlich schon damals nicht interessierte. Und wie im SPIEGEL mal (auch vor Jahren) ein kleines Interview-Kästchen mit dem Ressortleiter Sport der taz, der sprach: »das verheizen fossiler Brennstoffe im Namen von Bernie Eccelstone halten wir nicht für berichtenswert« (oder so ähnlich).

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Wie die Vorfreude während der Zugfahrt nach Hause kaum merklich steigt und dann doch plötzlich, als ich aus dem Bus steige, da ist. Natürlich langweilen sich die Passagiere. Was die sich wohl dabei denken, so viehisch starr vor sich hinzugucken, während man auf etwas wartet, dass des Wartens doch gar nicht bedarf. Konnte das noch nie verstehen und erinnere mich daran, wie der Held in Gefährliche Geliebte sich darüber wundert, das die Menschen immer und überall in etwas hineinstarren aufgrund der Angst, vielleicht mal für ein paar Minuten nichts zu tun zu haben. Hier auf der Insel sehe ich davon wenig. Heute früh fiel mich J. an, nachdem ich ihn, während er sich auf den Korkplatten sonnte, einige Minuten lang gekrault hatte. Nach dem Duschen zum Bäcker mit dem Rad durchs Dorf vorbei an den Obdachlosen, die hier schon vormittags durch den Park streunen. Keine Sesambrötchen, keine mit Mohn, also nur Langweiliges gekauft. Dazu frischer Minztee oder Jasmintee oder schwarzer Tee oder vielleicht besser Wasser mit Eis. Headline des Tages: »Ökumene pur: Harmonie auf der ganzen Linie«.

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Wie ich die Ereignisse der vergangen Tage nicht in eine chronologisch richtige Reihenfolge bringen kann und wie ich heimlich darauf hoffe, dass sich dann, am Ende, nachdem ich alles aus mir herausgeholt habe, sich vielleicht so etwas wie ein innerer Zusammenhang ergibt. Tage zu Brei. Also wieder Daheim. J. liegt unter der blauen Bank unter den Küchenfenster, döst und miaut dann ganz viel, nachdem er mich bemerkt hat. Ziehe mich um, trinke schnell ein Glas und renne dann, wie alle anderen auch, ins Freibad. Der volle Parkplatz, das Stimmengewirr, und wie man aus ihm immer ein Lachen und Schreien herauszuhören meint. Wird sicher auch eine ferne Erinnerung, bald: das Lachen und Schreien, während ich im Garten liege und versuche zu Schlafen zu Lesen zu Essen zu Trinken in der Hängematte zu Schaukeln.

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Vom Bahnhof aus direkt zum Kröpcke gelaufen. Die beiden Männer drücken sich am Schaufenster des Handyshops die Nasen platt. Auch aus den anderen Geschäften strömen Menschen, sogar aus der Apotheke, die da mittendrin etwas unpassend wirkt. Allein die Besucherströme zu beobachten: wie die sich auf den Bänken niederlassen, vor den Geschäften niederlassen, einfach weitergehen, mir Zettel in die Hand drücken, mich ansehen, mich nicht ansehen. In einem neuen Viertel in Uni-Nähe ausgestiegen. Schöne Haltestation, schönes Viertel. Vor der Kirche ein kleines Fußballfeld, auf dem Mädchenmannschaften gegeneinander antreten. Über Lautsprecher die Stimme einer Frau, die ständig betont, dass noch einige Mannschaften zum mitmachen gesucht würden, und das es »nur um den Spaß« gehe. Und wie mir das mit einem Male völlig absurd erscheint, dieses Gerede vom Bedeutungsverfall der Kirche: hier sind sie doch, die jungen Mädchen und jungen Jungs, die sich Shirts mit Botschaften anziehen, singen, tanzen, Reden halten, Veranstaltungen organisieren, überhaupt: in irgendeiner Weise partizipieren.

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»Noch ma’ schnell das alles Ablichten«.
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Im Café Otto (!) noch schnell etwas getrunken, bevor C. und S. aus der Uni kommen. Drinnen riecht es muffig, draußen hocken viele Leute auf den weißen Plastikstühlen. Auf einer Steintreppe sitzen ein paar Punks mit ihren Hunden. Sehen alle ziemlich erschöpft aus, gerade so, als würde ihnen das Wetter bereits merklich zusetzen. Die Hunde bekommen dann aus einem gelben Plastikeimer jeder ein großes, rohes Stück Fleisch vorgeworfen. Keine Ahnung, woher der eine das ganze Fleisch so plötzlich nimmt. Sehe mir diese Ess-Zeremonie einige Minuten an. Wie jeder Hund sich seinem ganz eigenen Stück widmet, es liebevoll zerkaut. In entgegengesetzter Blickrichtung sitzt eine Gruppe vor einem Planschbecken, dessen Wasser mittlerweile nicht mehr unbedingt das kälteste sein dürfte. Ab und zu laufen einige Kinder durch das Becken und bespritzen die anderen mit Wasser. Der Dönerladen nebenan scheint an diesem Wochenende wohl das Geschäft des Jahres zu machen. Ständig rennen die Kids in diesen kleinen Imbiss, kaufen Döner und etwas zum Trinken. Kurz überlegt, mir auch so ein Ding und ein Bier zu kaufen, es dann aber doch sein gelassen, schon allein weil ich mit C. und S., die in diesem Moment um die Ecke biegen, zum Essen verabredet bin.


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