(i think) he was a journalist

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Dale Peck: Martin und John, Knaur Verlag, München 1995

[Jedenfalls habe ich heute oft an jemanden denken müssen, dessen Namen ich nicht kenne. Ich habe neulich absichtlich in der Bahn Richtung Düsseldorf ihm gegenüber gesessen und konnte, während ich überflüssigerweise sowohl Musik gehört als auch gelesen habe (Darüber, wie absolut vollständig bescheuert und stumpf und hirni es ist, in der Öffentlichkeit gleichzeitig zu lesen und Musik zu hören, darf ich wirklich kein bisschen nachdenken!), die Anwesenheit dieser Person geniessen, dessen Namen ich, wie gesagt, nicht kenne. Wenn ich es mir recht überlege, kann ich mich auch nicht erinnern, ihn jemals sprechen gehört zu haben. Sehr schön und nach wie vor überaus präsent sind mir die Sekunden, in denen er seine Brille absetzte, sie sich in den Schoß legte, um sich, mit beiden Handballen gleichzeitig, die Augen, mehr zu massieren als zu reiben.]

Was mir an Martin und John besonders gefällt, ist Dale Pecks ironiefreier Umgang mit schwulen Stereotypen und Klischees. Bis Seite 98 werden so ziemlich alle erdenklichen Vorstellungen, die man sich so macht von einem Amerikaner, der in den frühen Neunzigern gay novels schreibt, bedi durchgenudelt. Da gibt es den gewalttätigen Vater, der später die Kleider seiner verstorbenen, zuvor von ihm geprügelten Ehefrau trägt, inklusive Lippenstift und mit Papier ausgestopftem BH, den ebenfalls toten Bruder von John, irgendwann ist auch Johns Vater dann tot, John hat mit 13 den ersten Sex, mit dem damaligen Freund seiner Mutter usw. usf. Peck guckt weder genau hin, noch schreibt er originell oder sonstwie interessant, auch denken, sagen oder machen die in der Geschichte auftauchenden Personen nichts spannendes. Dennoch gefällt mir das Buch (und ich werde es aller Voraussicht nach bei einer Schilderung meiner ersten Leseeindrücke nach 100 Seiten belassen) sehr gut, vielleicht auch, weil ich denke, dass Dale Peck sich wünscht, dass es solche Geschichten gibt, von Jungs, die eine schwere Kindheit haben, ihre aidskranken Freunde pflegen und sich unsterblich verlieben.


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